Progressive Supranukleäre Blickparese (PSP) — Vollständige Symptomübersicht

Vorwort

Die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) ist eine seltene, fortschreitende Gehirnerkrankung, die sich bei jedem Menschen etwas anders zeigen kann.

Diese Liste sollte alle Symptome enthalten, die bis heute bei PSP beobachtet wurden — nicht nur aus ärztlichen Untersuchungen, sondern auch aus Berichten von Angehörigen, Pflegenden und Betroffenen selbst. Viele dieser Beobachtungen (z. B. verändertes Schmerzempfinden, hastiges Trinken, Erschöpfung nach kurzer Anstrengung) werden in der Sprechstunde oft übersehen, sind aber für den Alltag entscheidend.

Hinweis: Manche der aufgeführten Symptome sind klinische Zeichen, die von Ärzten bei der Untersuchung festgestellt werden. Sie sind der Vollständigkeit halber aufgeführt.

Wichtig zu wissen:
- PSP beginnt meist in einem engen Bereich des Gehirns — oft im Mittelhirn oder in den Basalganglien.
- Im Verlauf breitet sich die Schädigung auf immer mehr Hirnregionen aus.
- Dadurch entstehen neue Symptome, während andere verschwinden können — nicht weil sie „besser” werden, sondern weil das betroffene Gehirnareal nicht mehr reagiert.
- Ein Symptom, das bei einem Patienten auftritt, muss beim nächsten nicht vorhanden sein — und umgekehrt.
- Kein Mensch zeigt alle Symptome — aber jedes hier genannte Symptom ist wirklich vorgekommen.

Die Häufigkeitsangaben (sehr häufig, häufig, selten etc.) geben eine Orientierung, wie oft ein Symptom beobachtet wird — ersetzen aber nie die individuelle Beobachtung. Bei verschiedenen PSP-Varianten können die Häufigkeiten stark abweichen.

Diese Liste soll informieren, entlasten und helfen, die Erkrankung besser zu verstehen — nicht beunruhigen.


Vollständige Liste aller bei PSP dokumentierten Symptome

👁️ OKULOMOTORISCHE SYMPTOME

Vertikale Blickparese
Schwierigkeiten, den Blick bewusst nach oben oder unten zu richten. Meist beginnt es mit dem Abwärtsblick (z. B. beim Treppensteigen). Wichtig: Die Augenmuskeln sind intakt — das Problem liegt im Gehirn.
Häufigkeit: Sehr häufig bei PSP-RS; seltener bei PSP-P oder PSP-SL
Betroffene Hirnregion: Mittelhirn
Verlangsamte horizontale Sakkaden
Seitliche Augenbewegungen (z. B. beim Lesen) sind deutlich langsamer als normal.
Häufigkeit: Sehr häufig
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm und Stirnhirn
Doppelbilder (Diplopie)
Ein Objekt wird doppelt gesehen — nicht wegen einer Augenmuskel-Lähmung, sondern weil die Augen nicht mehr exakt zusammenarbeiten.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Mittelhirn
Verschwommenes Sehen
Alles wirkt unscharf oder flimmernd — nicht wegen zweier Bilder, sondern durch instabile Blickfixation oder Lidstörungen.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Visuelle Netzwerke im Gehirn
Makro-Quadratwellen-Jerks
Plötzliche, kleine Augen-Ruckler während des Starrens, die das Sehen stören. Diese sind objektiv mit Augenbewegungsmessungen nachweisbar.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Mittelhirn
Plötzlicher Verlust der Leseschärfe (ohne Doppelbilder)
Ein lesbarer Text wird innerhalb von Sekunden für den Patienten unlesbar, obwohl Abstand, Licht und Augenstellung unverändert bleiben. Dieses Phänomen wurde objektiv von aufmerksamen Angehörigen beobachtet. Es ist neuroanatomisch plausibel, da bei PSP der Edinger-Westphal-Kern im Mittelhirn — zuständig für die automatische Nahakkommodation — geschädigt ist. Bisher wurde es nicht in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben, ist aber als Folge der supranukleären okulomotorischen Dysfunktion bei PSP möglich.
Häufigkeit: Unbekannt — nicht publiziert, aber objektiv beobachtet
Betroffene Hirnregion: Edinger-Westphal-Kern im Mittelhirn (plausibel, nicht belegt)
Konvergenzinsuffizienz
Beim Blick auf Nahes (z. B. Lesen) drehen sich die Augen nicht mehr nach innen — führt zu Doppelbildern.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Mittelhirn
Lidöffnungsapraxie
Unfähigkeit, die Augen willkürlich zu öffnen, trotz intakter Muskulatur. Patienten helfen sich oft mit den Händen oder durch Kopfbewegungen.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn
Blepharospasmus
Unwillkürliche, krampfhafte Lidverschlüsse — die Augen werden aktiv zugekniffen.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Tiefe Hirnregionen (Basalganglien)
Epiphora (übermäßige Tränenbildung)
Starkes Tränen ohne emotionale Ursache — oft durch unvollständigen Lidschluss oder Lidzuckungen.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Nervus facialis (indirekt durch kortikale Steuerstörung)
Photophobie (Lichtscheu)
Überempfindlichkeit gegen Licht, die zu Unbehagen oder Schmerzen führt. Betroffene meiden helles Licht oder tragen häufig Sonnenbrillen, auch in Innenräumen.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Visuelle Verarbeitungsnetzwerke, möglicherweise Mittelhirn

🚶 POSTURALE INSTABILITÄT UND BEWEGUNG

Posturale Instabilität mit Stürzen
Plötzlicher Verlust des Gleichgewichts mit Stürzen — bei PSP-Richardson-Syndrom oft nach hinten, bei anderen Varianten können Stürze in alle Richtungen erfolgen.
Häufigkeit: Sehr häufig (bei PSP-RS); selten bis häufig bei anderen Formen
Betroffene Hirnregion: Mittelhirn
Raketenzeichen
Beim Aufstehen richtet sich der Patient kerzengerade auf, ohne den Oberkörper nach vorne zu neigen — dadurch fällt er nach hinten.
Häufigkeit: Häufig bei PSP-RS
Betroffene Hirnregion: Mittelhirn und Stirnhirn
Retrocollis
Ungewollte Hinterneigung des Kopfes („Kopf in den Nacken gelegt”).
Häufigkeit: Häufig bei PSP-RS; seltener bei anderen Varianten
Betroffene Hirnregion: Tiefe Hirnregionen (Basalganglien)
Anterocollis
Ungewollte Vorwärtsneigung des Kopfes („hängender Kopf”).
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Vorderer Halsbeuger-Motorpool (kortikal gesteuert)
Axialer Rigor
Starke Muskelsteifheit in der Körpermitte — also im Nacken, Rücken und Rumpf. Der Körper fühlt sich „steif wie ein Brett” an und erschwert Biegen, Drehen oder Gehen.
Häufigkeit: Sehr häufig bei PSP-RS; mäßig häufig bei PSP-P; seltener bei PSP-SL
Betroffene Hirnregion: Mittelhirn und Basalganglien
Extrem eingeschränkte Rumpf- und Beinbeweglichkeit (oft unidirektional)
Durch massive Steifheit können Arme, Beine oder der Rumpf nur noch minimal bewegt werden — manchmal nur in eine Richtung (z. B. Bein lässt sich nicht anheben, aber seitlich schieben).
Häufigkeit: Häufig im Spätstadium
Betroffene Hirnregion: Mittelhirn, Basalganglien und motorischer Kortex
Bradykinesie
Deutliche Verlangsamung aller Bewegungen — besonders im Rumpf. Alles geht langsamer: Aufstehen, Gehen, Essen.
Häufigkeit: Sehr häufig
Betroffene Hirnregion: Basalganglien
Mikrographie
Zunehmend kleinere und unleserlichere Handschrift im Schreibverlauf.
Häufigkeit: Häufig bei PSP-P; seltener bei anderen Varianten
Betroffene Hirnregion: Basalganglien
Gang-Freezing
Plötzliches „Festkleben” der Füße beim Gehen — besonders beim Start, an Türen oder engen Stellen.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn und Mittelhirn
Tremor
Feines Zittern beim Halten der Arme oder beim Zielen. Ein klassischer Ruhetremor (wie bei Parkinson) ist bei PSP extrem selten.
Häufigkeit: Selten (fast nur bei PSP-P)
Betroffene Hirnregion: Cerebello-thalamo-kortikale Bahnen
Dystonie
Ungewollte Muskelkrämpfe mit Fehlhaltungen — z. B. schiefes Gesicht, verdrehter Fuß oder Kopf.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Basalganglien
Spastische Tetraparese (PSP-PLS-Variante)
Starke Steifheit und Schwäche in allen vier Gliedmaßen — ohne Muskelabbau (im Gegensatz zur ALS).
Häufigkeit: Sehr selten
Betroffene Hirnregion: Primär-motorischer Kortex (Betz-Zellen)

🗣️ BULBÄRE UND SPRACHLICHE SYMPTOME

Dysarthrie
Monotone, leise, verwaschene Sprache — oft mit langen Pausen oder abgebrochenen Sätzen. Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu scheinbar vollkommenem Verlust der Sprache kommen — die Patienten verstehen meist noch alles, können aber nicht mehr sprechen oder nur noch flüstern.
Häufigkeit: Sehr häufig
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm und Stirnhirn
Dysphagie
Schluckstörung mit erhöhtem Risiko für Lungenentzündung durch Verschlucken.
Häufigkeit: Sehr häufig (im Spätstadium)
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm
Verschleimung durch verminderte Schluckfrequenz
Speichel sammelt sich im Mund und Rachen an, weil der Patient im Ruhezustand zu selten schluckt. Durch Verdunstung wird der Speichel zäh und schleimig, was zu häufigem Räuspern, Husten oder dem Gefühl führt, „ständig verschleimt zu sein”. Ursache ist nicht eine Infektion, sondern ein gestörter automatischer Schluckreflex bei PSP.
Häufigkeit: Häufig (besonders im mittleren Stadium)
Betroffene Hirnregion: Bulbäre Zentren im Hirnstamm (Nucleus tractus solitarii, Nucleus ambiguus)
Starke orofaziale Rigidität („Mund lässt sich nicht öffnen”)
Extrem starke Muskelsteifheit im Kiefer- und Mundbereich führt dazu, dass der Patient den Mund kaum oder gar nicht öffnen kann — selbst auf Aufforderung oder bei Hunger.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Basalganglien und motorische Hirnrinde
Freezing beim Sprechen
Plötzliches „Steckenbleiben” mitten im Satz — der Patient weiß, was er sagen möchte, kann aber nicht weitersprechen.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Supplementär-motorischer Kortex
Pallilalie
Wiederholung des letzten Wortes/Silbe durch den Sprechenden selbst: „Ich gehe… gehe… gehe…”
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Linker supplementär-motorischer Kortex
Echolalie
Wiederholung von Worten, die gerade jemand anderes gesagt hat.
Häufigkeit: Sehr selten
Betroffene Hirnregion: Orbitofrontaler Kortex
Hastiges orales Verhalten
Ungewöhnlich schnelles Zuführen von Nahrung oder Flüssigkeit — oft ohne Kauen oder Schlucken zu warten.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Orbitofrontaler Kortex
Heiserkeit
Raue, leise oder brüchige Stimme.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm (Nucleus ambiguus)
Paroxysmale Atemgeräusche (expiratorisches Stöhnen)
Lauter, unwillkürlicher Grunzlaut beim Ausatmen im Wachzustand.
Häufigkeit: Sehr selten
Betroffene Hirnregion: Bulbäre Atemzentren

🧠 KOGNITIVE UND NEUROPSYCHIATRISCHE SYMPTOME

Dysexekutives Syndrom
Schwierigkeiten beim Planen, Entscheiden, Umschalten oder Bremsen von Impulsen — z. B. kann der Patient nicht mehr kochen oder Geld verwalten.
Häufigkeit: Sehr häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn
Bradyphrenie
Verlangsamtes Denken und Reagieren — es dauert länger, bis der Patient eine Frage versteht oder antwortet.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn-Netzwerke
Emotionale Reaktionen
Manche Betroffene zeigen ungewöhnliche emotionale Reaktionen. Dazu gehören Reizbarkeit, schnelle Wutausbrüche, geringe Belastbarkeit und Rückzug ohne erkennbaren Anlass. Diese Reaktionen wirken für Angehörige oft „nicht wie früher“. Es handelt sich nicht um eine psychische Erkrankung, sondern um eine Folge der PSP.
Häufigkeit: gelegentlich
Betroffene Hirnregion: vordere und mittlere Bereiche des Stirnhirns sowie tiefere Zentren für Gefühlsverarbeitungm
Aufmerksamkeitsstörung
Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit über längere Zeit aufrechtzuerhalten, Ablenkungen auszublenden oder zwei Dinge gleichzeitig zu tun (z. B. Gehen und Sprechen). Führt zu rascher Ermüdung bei kognitiver oder motorischer Doppelbelastung.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Frontalbasale Aufmerksamkeitsnetzwerke (dorsolateraler präfrontaler Kortex, anteriorer cingulärer Kortex)
Wortfindungsstörung (Anomie)
Der Patient weiß, was er sagen möchte, kann das passende Wort aber im Moment nicht abrufen. Es entstehen lange Pausen, Umschreibungen („das Ding zum Schreiben” statt „Stift”) oder Frustration.
Häufigkeit: Sehr häufig bei PSP-SL; selten bei klassischer PSP-RS
Betroffene Hirnregion: Linker inferiorer frontaler Gyrus und temporofrontale Sprachnetzwerke
Eingeschränkte kognitive und motorische Belastbarkeit
Schon nach 10—15 Minuten Anstrengung (Gehen, Sprechen, Übungen) tritt rasche Erschöpfung ein — mit Verschlechterung von Gleichgewicht, Sprache oder Koordination.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn und Basalganglien
Fatigue (Müdigkeit)
Überwältigende Erschöpfung, die nicht durch Schlaf verschwindet. Im Gegensatz zur Apathie: „Ich will, aber ich kann nicht.” Wichtig: Abgrenzung zu Depression — bei Fatigue besteht noch Motivation, aber keine Energie.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm und Stirnhirn
Apathie
Verlust von Interesse, Initiative und emotionalem Engagement — aus Gleichgültigkeit, nicht aus Erschöpfung. „Mir ist alles egal.”
Häufigkeit: Sehr häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn
Impulsives, risikobehaftetes Verhalten
Plötzliches Aufstehen zum Toilettengang, hastiges Trinken, Alleinverlassen der Wohnung — ohne Einsicht in die Gefahr.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn
Aplauszeichen
Nach Aufforderung, dreimal in die Hände zu klatschen, klatscht der Patient weiter (z. B. 4—6 Mal) und kann nicht stoppen.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn
Depression
Echte niedergedrückte Stimmung mit Hoffnungslosigkeit und Anhedonie (keine Freude mehr). Abgrenzung: Bei Depression fehlt die Motivation, bei Fatigue die Energie.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn und limbisches System
Wahn und Halluzinationen (psychotische Symptome)
Auftreten von Sinnestäuschungen (meist visuelle Halluzinationen) oder Wahnvorstellungen (z. B. der Glaube, bestohlen zu werden oder dass der Partner untreu ist). Diese Symptome sind bei PSP oft medikamenteninduziert (durch Levodopa, Amantadin oder andere Dopaminergika), können aber auch direkt durch die Erkrankung im Spätstadium auftreten. Im Vergleich zur Lewy-Körperchen-Demenz sind sie seltener ein Leitsymptom.
Häufigkeit: Selten (als Primärsymptom); häufiger als Medikamentennebenwirkung
Betroffene Hirnregion: Temporallappen, Stirnhirn, visuelle Assoziationsrinden
Pseudobulbärer Affekt
Unwillkürliches Lachen oder Weinen ohne passende Gefühlslage.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn-Hirnstamm-Verbindungen
Katatonie-ähnliche Symptome
Regungslosigkeit, Mutismus, Wachsflexibilität — wirkt wie „eingefroren”, obwohl wach.
Häufigkeit: Sehr selten
Betroffene Hirnregion: Tiefes Stirnhirn

🤏 PRIMITIVE REFLEXE

Greifreflex
Automatisches Greifen bei Berührung der Handfläche — wie bei Säuglingen.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn
Saugreflex
Saugbewegung bei Berührung der Lippen.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn
Snout-Reflex
Lippenbewegung bei Streichen über die Oberlippe.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn
Babinski-Zeichen
Großzehe hebt sich beim Streichen am Fußsohlenrand — Zeichen einer Schädigung der Nervenbahnen vom Gehirn.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Corticospinale Bahnen
Palmomentalreflex
Kinnmuskel zuckt beim Streichen der Handeninnenfläche.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn
Glabella-Reflex (persistierend)
Ununterbrochenes Blinzeln beim Klopfen auf die Nasenwurzel.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Stirnhirn

🩺 SENSORIK UND SCHMERZ

Sensibilitätsstörung
Manche Betroffene nehmen Berührungen, Temperatur oder Schmerzen verändert wahr. Das Körperempfinden kann „taub“, „nicht richtig spürbar“ oder „überempfindlich“ wirken. Auch Schmerzen können stärker oder schwächer empfunden werden als üblich. Diese Veränderungen betreffen das Spüren, nicht die Kraft oder Bewegung, und können das Gleichgewicht, die Körperpflege oder das Schmerzverhalten beeinflussen.
Häufigkeit: Selten (v. a. bei bestimmten Verlaufsformen wie PSP-CBS oder PSP-SL)
Betroffene Hirnregion: vSomatosensorischer Kortex im Parietallappen (hinterer Bereich des Scheitellappens, oberhalb und hinter dem Ohr) und subkortikale Strukturen wie der Thalamus.
Propriozeptive Störung
Verminderte Wahrnehmung der Körperstellung im Raum — z. B. „Ich weiß nicht, wo meine Füße sind”. Führt zu unsicherem Gang.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Parietallappen
Muskelschmerzen (zervikal)
Chronische Nacken- und Rückenschmerzen durch Daueranspannung.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Somatosensorisches System
Thermoregulationsstörungen
Übermäßiges Frieren oder Kälteintoleranz, seltener Hitzeintoleranz.
Häufigkeit: Selten bis häufig
Betroffene Hirnregion: Hypothalamus

🫀 AUTONOME SYMPTOME

Schwindel / Gleichgewichtsunsicherheit
Vage, persistierende Unsicherheit im Stehen oder Gehen — oft sehr früh, vor den Stürzen.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Mittelhirn und Hirnstamm
Orthostatische Hypotonie
Blutdruckabfall beim Aufstehen → Schwindel oder Schwarzwerden vor Augen.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm
Harninkontinenz / -retention
Plötzlicher Harndrang oder Schwierigkeiten beim Entleeren.
Häufigkeit: Häufig (im Spätstadium)
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm und Stirnhirn
Obstipation (Verstopfung)
Verminderter Stuhlgang mit harter Konsistenz, oft verbunden mit Völlegefühl und erschwerter Darmentleerung. Tritt unabhängig von Medikamenteneinnahme auf, kann aber durch Parkinson-Medikamente (z. B. Levodopa) oder anticholinerge Substanzen (z. B. Spasmex®) verstärkt werden.
Häufigkeit: Sehr häufig (in Studien bei bis zu 70 %)
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm-Autonomiezentren (Nucleus tractus solitarii, dorsaler vagaler Kern)
Diarrhö
Gelegentlicher wässriger Stuhlgang — oft im Wechsel mit Verstopfung.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm (autonome Dysregulation)
Gewichtsverlust
Oft beobachtetes Symptom in der späteren Phase. Die Ursache ist vermutlich die zunehmende Schwierigkeit bei der Nahrungsaufnahme (durch Schluckprobleme, Rigidität im Mundbereich) sowie der erhöhte Energieverbrauch durch die krankheitsbedingte Muskelsteifheit — der Körper muss ständig „gegen die Steifheit arbeiten”.
Häufigkeit: Häufig (besonders im mittleren bis späten Stadium)
Betroffene Hirnregion: Hypothalamus, Hirnstamm
Hyperhidrose
Unangemessen starkes Schwitzen am ganzen Körper.
Häufigkeit: Selten (einstelliger Prozentbereich)
Betroffene Hirnregion: Hypothalamus
Episodisches Fieber
Kurzfristige Temperaturerhöhung ohne Infekt.
Häufigkeit: Einzelfall
Betroffene Hirnregion: Hypothalamus

😴 SCHLAFSTÖRUNGEN

Lebhafte Träume, Albträume oder RBD-ähnliche Phänomene
Können bei PSP neurodegenerativ bedingt sein (seltene RBD), aber auch medikamenteninduziert. Besonders Amantadin (wegen dopaminerger/NMDA-Wirkung) und anticholinerge Medikamente wie Spasmex® (Trospiumchlorid) — besonders in Kombination — können zu lebhaften Träumen, Schlafstörungen oder Verwirrtheit führen.
Häufigkeit: Selten (neurodegenerativ); häufiger bei Medikation
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm und limbisches System
Fragmentierter Schlaf / nächtliches Erwachen
Häufiges Aufwachen in der Nacht — oft durch Steifheit, Schmerzen, Harndrang oder Atemprobleme. Führt zu Tagesmüdigkeit.
Häufigkeit: Häufig (im mittleren bis fortgeschrittenen Stadium)
Betroffene Hirnregion: Hypothalamus, Hirnstamm (Schlaf-Wach-Regulation)
Tagesschläfrigkeit
Unwiderstehliches Bedürfnis einzuschlafen am Tag — unabhängig von nächtlichem Schlaf. Oft Folge der PSP-typischen Müdigkeit (Fatigue) und gestörten Schlafarchitektur.
Häufigkeit: Häufig
Betroffene Hirnregion: Aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem, Hypothalamus
REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD)
Im Traumschlaf werden Träume körperlich ausgelebt — Schreien, Schlagen.
Häufigkeit: Selten
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm

🔬 SELTENE PHÄNOMENE

Palataler Tremor
Rhythmische Zuckungen des weichen Gaumens mit hörbarem Klicken im Ohr.
Häufigkeit: Einzelfall
Betroffene Hirnregion: Hirnstamm und Kleinhirn
Zerebelläre Ataxie
Torkelnder Gang, unsichere Handbewegungen — typisch für PSP-C-Variante.
Häufigkeit: Sehr selten
Betroffene Hirnregion: Kleinhirn
Alien-Hand-Syndrom
Eine Hand scheint ein Eigenleben zu führen — z. B. greift sie Dinge, ohne dass der Patient es will.
Häufigkeit: Sehr selten (fast nur bei PSP-CBS-Variante)
Betroffene Hirnregion: Posteriores Stirnhirn

💊 Wichtige medikamentöse Einflüsse

Symptomverstärkung durch Medikamente:

Medikamentenwechselwirkungen bei PSP-typischen Medikamenten:


⚠️ Wann sollten Sie den Arzt kontaktieren?

Sofortige ärztliche Hilfe:

Zeitnahe Vorstellung beim Arzt:


📝 Wichtige Beobachtungen für Angehörige

Besonders dokumentierenswerte Phänomene:

Hilfreich für den Arztbesuch:


📊 Verlaufsmuster nach PSP-Varianten

PSP-Richardson-Syndrom (PSP-RS) - Klassische Form:

PSP-Parkinsonismus (PSP-P):

PSP-Sprachdominante Form (PSP-SL):

PSP-Kortikobasale Syndrom (PSP-CBS):

PSP-Zerebelläre Form (PSP-C):


💡 Schlusswort

Diese umfassende Liste soll helfen, PSP in all ihren Facetten zu verstehen. Jeder Patient ist einzigartig, und nicht alle Symptome treten bei jedem auf. Die Auflistung dient der Information und soll das Verständnis für diese komplexe Erkrankung fördern.

Wichtig: Diese Liste ersetzt niemals die ärztliche Beratung. Bei Fragen zu Symptomen oder Behandlungsmöglichkeiten wenden Sie sich immer an Ihren behandelnden Neurologen oder ein PSP-Zentrum.

Die Wissenschaft zu PSP entwickelt sich ständig weiter. Neue Erkenntnisse können zu Ergänzungen oder Änderungen dieser Liste führen.